"Rasseferkelchen"

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Herr Rossi

"Rasseferkelchen"

Beitrag von Herr Rossi » 23.06.2006 13:15

So, wie man es sich vorstellt, wenn man versehentlich mal reinzappt... :D


Italienisches Fernsehen

Mit dem „Rasseferkelchen“ auf der Couch

Von Dirk Schümer, Venedig

23. Juni 2006

Eine Einladung zum Abendessen und ein Sofa - mehr braucht es nach Aussage eines Showgirls nicht, um eine Anstellung beim italienischen Staatsfernsehen Rai zu bekommen. Diese sachliche Beschreibung eines Vorgangs, bei dem mächtige Funktionäre sich ihr Entgegenkommen mit Sex entgelten lassen, entspricht so ziemlich der volkstümlichen Vorstellung, wie es in der Welt des Showgeschäfts so zugeht.

Nun haben es die Italiener auch amtlich: Bei der ausgedehnten Abhöraktion wegen illegaler Glücksspiel- und Prostitutionsgeschäfte einer einflußreichen Gruppe, in die auch der Thronfolger der einstigen Königsdynastie der Savoyer verwickelt ist, stieß die Staatsanwaltschaft auch auf zahlreiche anzügliche Gespräche über Fernsehpersonalien. Zwei Funktionäre der Rai wurden bereits suspendiert. Noch beunruhigender ist die Verwicklung von Salvatore Sottile, Sprecher des Parteichefs der exfaschistischen „Alleanza nazionale“ und bis vor ein paar Wochen einer der mächtigsten Männer im italienischen Außenministerium.

Hilfestellung für notleidende Showgirls

Der Sizilianer Sottile sieht so aus wie viele Politiker in Italien: blauer Anzug, gedrungen, kahlköpfig, bejahrt. Seine mangelnde erotische Attraktivität vermochte der agile Mann aber offenbar durch Hilfestellung für notleidene Showgirls aufzubessern. In den Telefonaten stellte der Sprecher des Außenministers seine besten Kontakte zu attraktiven Soubretten gerne heraus, sprach von „Rasseferkelchen“ oder lobte ein Showgirl für ihre weißen Pants, in denen sie „wie ein Pferdchen“ umherstolziert sei.

Elisabetta Gregoraci, Verlobte des Formel-eins-Rennstallmanagers und Playboys Flavio Briatore, wurde von Sottile gar zu einem unverfänglichen Täßchen Kaffee ins Außenministerium eingeladen. Für die Staatsanwälte ist damit der Fall klar: Sie sehen den Straftatbestand der „sexuellen Erpressung“ als erfüllt. Für das „Ferkelchen“ Gregoraci begann mit der indiskreten Publikation der Telefonprotokolle ein medialer Spießrutenlauf. Die sechsundzwanzigjährige Kalabresin mit den langen braunen Haaren und dem unwiderstehlichen Strahlen beeilte sich, zu versichern, daß sie mit Sottile einzig eine „freundschaftliche Beziehung“ verbinde. Wer anderes behaupte, werde von ihren Anwälten verklagt.

Stellen über die Couch vergeben

Die in der Versenkung verschwundene Showmasterin Paola Saluzzi bezeichnete es reuig als „großen Fehler“, professionelle Hilfe bei Sottile gesucht zu haben, doch ihr sei bei andauernder Arbeitslosigkeit nichts anderes übriggeblieben. Gleichzeitig wurden alte Gerüchte kolportiert, daß die rotgelockte Saluzzi zuvor als Favoritin des Generaldirektors Zaccaria beste Showtermine besetzt habe, von dessen Nachfolger Del Noce entmachtet wurde und offenbar stets die Protektion Mächtiger zu nutzen verstanden habe. So sieht sich Italien mit einem Reigen adretter junger Damen konfrontiert, die allesamt das „System Rai“, bei dem Stellen über die Couch vergeben wurden, bestätigen, persönlich aber nur durch Talent und Fleiß ihre Jobs bekommen haben wollen. Unnachahmlich beteuerte Elisabetta Gregoraci, sie habe ihre Karriere „mit dem Kopf“ gemacht. Umgekehrt erklärt der Gentleman Sottile, er habe sich mit den anzüglichen Telefonaten nur der Gunst junger Damen rühmen wollen.

Solche Peinlichkeiten lenken jedoch von der eigentlichen Frage ab: Wie ist die Rai organisiert, wenn Parteisprecher im politischen Rom über die Besetzung von Ansagerinnenposten entscheiden? Warum können Mächtige überhaupt ins redaktionelle Tagesgeschäft hineinreden? Und ist es wirklich eine Frage der Staatsraison, welches Mädchen in allerhand Boulevardsendungen vor der Kamera ihre Weichteile zu schwenken hat?

Hinter jedem Mädchen steht ein Politiker

Auch diesbezüglich stießen die Staatsanwälte auf auskunftsbereite Rai-Angestellte, die das Prozedere der Postenvergabe rundum bestätigten: Redakteure klagten, daß hinter jedem Mädchen, das sich vorstelle, ein wichtiger Politiker, Produzent, Regisseur stehe: „Das ist ein offenes Geheimnis.“ Genau solche Zustände hatte bereits vor Jahren der erfolgreiche Kinofilm „Ricordati di me“ (Erinnere dich an mich) des Regisseurs Gabriele Muccino beschrieben: Eine blutjunge Aspirantin auf einen TV-Tanzjob muß zuvor mit diversen Produzenten ins Bett gehen. Wenn der Journalist Sandro Curzi aus dem staatlichen Aufsichtsgremium seine Rai nun öffentlich als Sündenpfuhl an den Pranger stellt und einen moralischen Neubeginn fordert, hat er gute Argumente.

Die Sexaffäre wäre unmöglich ohne die systematische politische Kontrolle des staatlichen Senders. Der ist zwar offiziell eine Aktiengesellschaft, wird jedoch mehrheitlich vom Wirtschaftsministerium dominiert. Mit jedem Machtwechsel bringen die jeweils Herrschenden ihre Seilschaften auf die Chefsessel, was unter Silvio Berlusconi besonders pikant wirkte, weil der als Privatmann mit seinen Mediaset-Sendern obendrein auch noch die Konkurrenz sein eigen nennt. Augenblicklich gehören von dreizehn Abteilungsleitern elf zur abgewählten Koalition Berlusconis. Doch unter dem Präsidenten Claudio Petruccioli - er steht der neuen Linksmehrheit nahe - wird sich das bald ändern. Schon in den letzten Jahren unter Berlusconi wurden die Telekommunikationsgesetze derart oft verändert, lösten sich Aufsichtsgremien, Präsidenten und Generaldirektoren derart hektisch ab, daß es ein Wunder ist, wie der Sender überhaupt noch Programm zusammenbekommt - auf welchem erbärmlichen Niveau auch immer.

Der Kampf um die Rai bricht von neuem los

Und noch während sich das Publikum über die armen Soubretten und ihren häßlichen Galan amüsiert, ist der Kampf um die Rai erneut ausgebrochen. Eine fast einstimmige Mehrheit im staatlichen Aufsichtsgremium wählte am Mittwoch den Insider Claudio Cappon zum neuen Generaldirektor. Damit kontrolliert nun ein Mann die journalistische Tagesarbeit, der das Vertrauen sowohl Berlusconis wie der linken Mehrheit besitzt. Doch der Teufel steckt hier, wie bei so mancher politischen Nominierung in Italien, im Detail. Premierminister Prodi hatte öffentlich einen anderen Kandidaten „von außen“ vorgeschlagen; Cappon hingegen verfügt über beste Kenntnisse und Seilschaften im ausgeklügelten Gremiensystem der Rai und war bereits 2001 kurz Generaldirektor. Hinter der Ablehnung Prodis steht dessen Mißtrauen gegen seine eigene Koalition, die oft drastischer an seiner Macht sägt als die Berlusconi-Parteien. Cappon erhielt am Ende die Zustimmung der gemäßigten Margherita-Partei sowie des parteilosen Wirtschaftsministers Padoa-Schioppa - und Prodi hatte das Nachsehen beim Kampf um den politisch so wichtigen Staatssender.

Ob nun also das personelle und moralische Großreinemachen beginnt, ist angesichts der immergleichen Polit-Intrigen mehr als zweifelhaft. Wieso sollte die Rai auch integrer sein als die Restgesellschaft, die derzeit vom Fußball über das Bankwesen und die Aristokratie von einer Welle schmieriger Skandale überrollt wird? Die Rai mit ihrem Dauerprogramm lächelnder Bikinimädchen, die sogar bei Quizsendungen den Kandidaten die Hand halten und auf hohen Hacken durchs Sportstudio stolzieren, spiegelt nur das ästhetische und moralische Niveau des berlusconischen „Juste milieu“, in das die linke Opposition längst bestens eingebunden ist.

Berlusconis oft genug bei staatlichen Pressekonferenzen vorgetragenen Männerwitze erweisen sich im Licht der Sexaffäre nur als Spitze eines Eisbergs; dahinter agierte ein homogenes Biotop von Funktionsträgern, die ihre Anonymität liebend gerne mit der Gunst hilfebedürftiger Bildschirmdämchen aufhellen wollten. Die eigentliche Krankheit dieses mittelmeerischen Machotums liegt in der bewußten Verquickung von Politik und Fernsehen. Und weil Italiens Politik fast ausschließlich von alten männlichen Bürokraten geprägt wird, Italiens Fernsehen hingegen von jungen, halbnackten Provinzmädchen, gehört der freundschaftliche Besuch eines „Rasseferkelchens“ im Außenministerium wohl schlicht zur Normalität.

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Zuletzt geändert von Herr Rossi am 23.06.2006 13:21, insgesamt 1-mal geändert.

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Re: "Rasseferkelchen"

Beitrag von poohteen » 23.06.2006 13:18

Original geschrieben von Herr Rossi
So, wie man es sich vorstellt, wenn man versehentlich mal reinzappt... :D

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Fehlerhafte Anfrage (URL kann nicht ausgewertet werden) :confused:
Wir Menschen wechseln heutzutage alles bis auf eines: die Weltanschauung, die Religion, die Ehefrau oder den Ehemann, die Partei, die Wahlstimme, die Freunde, die Feinde, das Haus, das Auto, die literarischen, filmischen oder gastronomischen Vorlieben, die Gewohnheiten, die Hobbys, unsere Arbeitszeiten, alles unterliegt einem zum Teil sogar mehrfachen Wandel, der sich in unserer schnelllebigen Zeit rasch vollzieht. Das einzige, wo wir anscheinend keine Veränderung zulassen, ist der Fussballverein, zu dem man von Kindesbeinen an hält.
Javier Marias - Alle unsere frühen Schlachten

Herr Rossi

Re: Re: "Rasseferkelchen"

Beitrag von Herr Rossi » 23.06.2006 13:19

Original geschrieben von mpn
Fehlerhafte Anfrage (URL kann nicht ausgewertet werden) :confused:


Ohne Namen nennen zu wollen...habe nun extra für die Unfähigen den ganzen Text gepostet. :D ;)

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