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von kenner » 29.06.2018 02:04
Seit Montag weilt der FC St.Gallen in Bad Ragaz im Trainingslager, das am Freitag mit dem Spiel gegen den FC Bad Ragaz endet. Mit Tranquillo Barnetta steht seit Anfang Jahr ein Urgestein nach einigen Auslandsjahren wieder im FCSG-Kader. Im Interview mit dem «Sarganserländer» schaut der langjährige Nationalspieler nach vorne und zurück.
Tranquillo Barnetta, Sie haben im zweiten Training in Bad Ragaz gefehlt, darum die Frage: Wie geht es Ihnen?
Tranquillo Barnetta: In der Vorbereitung müssen wir mein Programm ein bisschen dosieren. Alles kann ich nicht voll mitziehen. Aber das ist nichts Besonderes, im Training danach stand ich wieder auf dem Platz.
Welcher Art Verletzung ist es denn?
Manchmal hab ich ein bisschen Mühe mit den Knien. Was man halt hat nach 16 Jahren Profifussball. Dann macht es keinen Sinn, schon zu Beginn der Vorbereitung direkt von Null auf 100 zu gehen. Die Gefahr der Überreizung droht. Dann trainiere ich in Absprache mit dem Physioteam ein anderes Programm als die Mannschaft.
Die FCSG-Fans müssen sich also keine Sorgen machen?
(lacht) Nein, bis jetzt noch nicht.
Wie ist Ihr Eindruck von Bad Ragaz und dem Grand Resort?
Es ist der Wahnsinn hier. Es ist wichtig, dass wir Spieler das auch zu schätzen wissen. Das ist nicht selbstverständlich und auch nicht unbedingt der normale Rahmen, in welchem sich der FC St.Gallen bewegt. Das ist sich wohl auch jeder Spieler bewusst, dass die Umgebung hier ein bisschen über den üblichen Verhältnissen des FCSG ist. Aber für uns Spieler, und gerade für die Jüngeren, ist es natürlich schön, so etwas mal zu sehen. Man kann das auch als Ziel sehen, bei grösseren Vereinen hat man solche Verhältnisse regelmässig in der Vorbereitung. Wir sind einfach froh und dankbar, dass wir die Top-Möglichkeiten hier haben.
Das weiss man also als Spieler zu schätzen? Bei Bundesligaprofis beispielsweise hat man eher das Gefühl, dass ihnen das egal ist.
Wenn man immer wieder in Hotels wie dem Grand Resort ist, dann ist es vielleicht so, dass man es nicht mehr so schätzt. Aber oft bist du im Trainingslager am Abend so kaputt, dass du nicht mehr durch die Lobby läufst und denkst, «oh, wie ist das schön». Wenn man mit dem FCSG in so einem Hotel ist, dann muss man das einfach schätzen. Aber im Endeffekt sind wir einfach da, um uns gut vorzubereiten.
Wie sind die Eindrücke der neuen «Espen on Tour»-Kampagne? Es ähnelt fast einem Wanderzirkus.
Positiv ist, dass wir nah bei den Fans sind. St.Gallen hat ein grosses Einzugsgebiet, so können wir einfach näher zu den Fans kommen. Als Spieler ist es nochmals anders. Man ist viel unterwegs, zum Glück wars nur eine kurze Tour. Aber auch die folgenden Freundschaftsspiele sind eine super Sache. Ich glaube, das Ziel ist mit den Trainings bei den verschiedenen Vereinen und Dörfern in der letzten Woche erreicht worden. So müssen die Leute mal nicht zu uns kommen, sondern wir kommen zu ihnen.
Wie viel Spass machen solche Spiele gegen Unterklassige?
Grundsätzlich schauen wir das als Trainingseinheit an. Die erste Partie gegen Bazenheid ging resultatmässig mit dem 1:1 nicht so aus, wie wir uns das erhofft hatten. Trotzdem zogen wir gute Schlüsse daraus, wir konnten einiges ausprobieren. Das Resultat steht dabei nicht im Vordergrund, obwohl es heisst, als «Grosser» müsse man diese Spiele gewinnen. Das wäre natürlich auch das Ziel, oft werden die Schwerpunkte aber anders gelegt als in einem «normalen» Spiel.
Oft war im Zusammenhang mit dem FCSG über den neuen Spirit, den die neue Führung eingebracht hat, zu hören. Habt ihr Spieler das auch gespürt, oder wie hat sich das bemerkbar gemacht?
Wir haben das definitiv gespürt. Für uns ist es immer am besten, wenn es rundherum ruhig ist. Dann kann man sich aufs Wesentliche konzentrieren. Da war das letzte Jahr nicht optimal. Als Spieler geht's darum, zu funktionieren. Wenn's Entlassungen gibt, dann kommt man am nächsten Tag trotzdem zum Training. Das geht aber nicht immer spurlos an einem vorbei. Es ist jetzt gut, dass versucht wird, eine Atmosphäre mit einer positiven Energie zu schaffen, wo wir in Ruhe arbeiten können.
Ende der letzten Saison lief es auf dem Feld nicht mehr rund. Waren das die Auswirkungen der Unruhe?
Schwierig zu sagen. Wir hatten eine Phase mit fünf, sechs Siegen, wo wir wohl auch über den Verhältnissen lebten. Wir gewannen das eine oder andere Spiel, das wir nicht unbedingt gewinnen müssten. Die letzten Spiele gingen dann genau in die andere Richtung – einige Partien dürften wir nicht verlieren. Nach zwei, drei Niederlagen kommst du wieder ins Grübeln. Die Leistung bei einigen Niederlagen war anfangs noch okay, bei den zwei letzten Spielen konnten wir diese aber auch nicht mehr abrufen. Woran das genau lag, ist wirklich schwierig zu sagen. Aber wir wollen nicht mehr zurückschauen. Wichtig ist jetzt, dass ein neues Kapitel gestartet wird. Das letzte Jahr war ein Umbruchjahr.
Bekommt man als Spieler privat auch beispielsweise mehr SMS in Richtung «jetzt gebt mal Gas»?
Diejenigen, die meine Nummer haben, unterstützen mich eher positiv. (lacht). Aber natürlich wird man mehr angesprochen, auch in der Stadt.
Nach dem letzten Spiel gabs Verwirrung, als plötzlich Ihr Rücktritt vermeldet wurde und Sportchef Alain Sutter sich dazu im TV-Interview äusserte. Was lief dort schief?
Nach dem Spiel hatte ich mit niemandem gesprochen. Ich war an einem Sponsoringanlass, als ich die Push-Nachricht las, dass ich zurückgetreten sei. Da schaut man schon komisch. Mit Sutter hab ich die Sache geklärt. Diejenigen, die mich kennen, die wussten, dass ich nicht zu Kurzschlussreaktionen neige und wegen einer Niederlage zurücktrete. Irgendwann wird der Zeitpunkt kommen. Aber dann wird das auch sauber mitgeteilt.
Aber solche Pläne haben Sie noch nicht?
Nein. Aber man muss immer schauen, wie es körperlich geht. Ich hab auch immer gesagt, solange ich Spass habe und der Körper mitmacht, dann mache ich weiter.
Kommen wir zur neuen Saison: Haben Sie mit Trainer Peter Zeidler gesprochen? Kannten Sie ihn vorher?
Nicht persönlich, aber sein bisheriges Wirken. Er war ja auch in der Bundesliga, als ich dort spielte. Die ersten Eindrücke hier sind sehr positiv. Uns freut es, dass wir so einen guten Trainer verpflichten konnten.
Wissen Sie schon, auf welcher Position Sie eingesetzt werden?
Ich bin wohl schon im Mittelfeld vorgesehen. Aber konkrete Gespräche haben wir noch nicht geführt.